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Marián Čunderlík – Im Kampf für ein neues Sehen

Er löste die Figur in farbige Flächen auf und konzentrierte sich auf ihre assoziativen Formen.

Marián Čunderlík

Die autonome Ausstellung von Marián Čunderlík (1926 – 1983) präsentiert eine Auswahl der Werke des Autors von 1949 bis 1969 aus der Sammlung der Galerie Nedbalka. Čunderlík hat sich Ende der vierziger und in den fünfziger Jahren mit seiner figurativen Kunst, zu Beginn der sechziger Jahre als Teilnehmer an den Konfrontationen von Bratislava und Ende der sechsten Dekade als Mitglied des Klubs der Konkretisten in die Geschichte der slowakischen Kunst eingeschrieben. Seit den sechziger Jahren hat er gemeinsam mit Bildnern und Bildnerinnen ausgestellt, die eine ähnliche Sichtweise auf die damalige Kunstrichtung hatten, die jedoch der Vorstellung des sozialistischen Staatsapparats über Kunst, ihre Formen und Funktionen zuwiderlief.

Durch seine frühen figurativen Werke wurde Čunderlík zu einem imaginären Bindeglied zwischen der modernen Tradition der slowakischen Malerei und der Nicht-Tradition abstrakter Tendenzen. Er suchte nicht das Wesen der Slowakität, er hing nicht an folkloristischen Motiven. Er löste die Figur in farbige Flächen auf und konzentrierte sich auf ihre assoziativen Formen, um sich später auf universelle (geometrische) Formen und ein neues Bildkonzept auszurichten. Zunächst experimentierte er hauptsächlich mit Farbe, aber nicht nur mit ihren koloristischen Qualitäten, sondern auch mit ihrer Masse, Struktur, ihren emotionalen und semantischen Qualitäten. Nach und nach ersetzte er die vitale Farbpalette durch neutralere Farbtöne, die an natürliche Prozesse und verschiedene Eingriffe in das Papier knüpften und den Zeitverlauf sichtbar machten. Er arbeitete sowohl in expressiven als auch meditativen Positionen und schuf Werke, die durch die sogenannte strukturelle Abstraktion archetypische Formen und existenzielle Gefühle verkörperten. Seine Aufmerksamkeit widmete er den Experimenten durch Strukturgraphik, insbesondere in der Technik der Monotypie, der verschiedenen destruktiven Eingriffe in die Bildfläche oder Collage und Assemblage. Durch die Verwendung von Farben, deren Massen, Strukturen oder eingefügten Objekten verlieh er seinen Werken neue Qualitäten und damit auch neue Realitäten, Dimensionen.

Ihn interessierte die Bildwirklichkeit, die in seinem Werk zwar als eine autonome Realität mit eigenen inneren Gesetzlichkeiten blieb, aber gleichzeitig versuchte er damit die Variablen des neuen Atomzeitalters einzubeziehen. Er visualisierte sie nach und nach mit silbernen Oberflächen von Werken und Komponenten des neuen technologischen Zeitalters und später mit den Grundfarben der kommenden Digitalisierungsära – Gelb, Azurblau und Purpur. Mit den Ausdrucksmitteln der abstrakten Kunst wollte er etwas enthalten, das jedem Menschen des modernen/atomaren Zeitalters gemeinsam wäre – subjektives emotionales Erleben existenzieller Gefühle und sich ständig ändernde Koordinaten des menschlichen Erlebens in Zeit und Raum. Als ob er im Rahmen der verschiedenen Registern der visuellen Kommunikation nach allgemeingültigen, universellen Prinzipien suchte und versuchte sie aufzudecken, sei es durch die erwähnte Figur, ihre Zerlegung, strukturelle Grafik oder konkretistische Werke.

Die Werke sind zu Mantras unerschöpflicher Möglichkeiten und Variationen geworden, Austritte aus den Beschränkungen von Regimen und dem Alltagsleben ins Unendliche (sich selbst). Seine künstlerischen Experimente und kulturorganisatorischen Bemühungen in den siebziger Jahren wurden durch die Normalisierung und, eine Dekade später, durch den Tod des Künstlers hart gestoppt.

Das Projekt wird unterstützt.

Marián Čunderlík (1926 Motyčky bei Banská Bystrica – 1983 Tri studničky) war ein bedeutender Vertreter der mitteleuropäischen Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er war eine unabdenkbare Persönlichkeit im tschechoslowakischen Kulturleben, insbesondere in den sechziger Jahren, die der heimischen Kunst im Rahmen einer vorübergehenden politischen Entspannung neue Impulse und Möglichkeiten brachten. Die Möglichkeiten für die Entwicklung und Präsentation von Čunderlíks Werk wurden durch sich ändernde gesellschaftspolitische Bedingungen und wechselnde (Un)Gunst der ideologischen Bestellungen des sozialistischen Regimes in der ehemaligen Tschechoslowakei beeinflusst.

In den fünfziger Jahren wurde Čunderlík einer der ersten Absolventen der Akademie der bildenden Künste (Vysoká škola výtvarných umení) in Bratislava, ebenso wie seine Frau, Malerin und Illustratorin Anastázia Miertušová (1927 Telgárt – 2002 Bratislava).[1] Auch nach dem Studium arbeiteten sie in einem gemeinsamen Atelier in Bratislava.[2] Čunderlík hat sich mit seinem figurativen Werk bereits Ende der vierziger und in den fünfziger Jahren in die Geschichte der slowakischen Kunst eingeschrieben. Bekannt wurde er jedoch vor allem als prominenter Vertreter abstrakter Tendenzen in den sechziger Jahren, als Teilnehmer an den Konfrontationen von Bratislava und später als Mitglied des Klubs der Konkretisten. Trotz der Teilnahme an den kollektiven Auftritten von Künstlern, die bestimmte Tendenzen in der damaligen Kunst vertraten, blieb er in den Augen vieler Kunsttheoretiker ein Solitärphänomen. Zeitlebens hatte er die Gelegenheit, sein Werk, insbesondere Grafik, auf Ausstellungen in Tschechien, Polen und Ungarn oder auf Ausstellungen zeitgenössischer tschechoslowakischer Kunst, z.B. in Österreich, Deutschland und der Schweiz zu präsentieren.[3]

Čunderlík war ein aktiver Autor, der auch verschiedene Bereiche der angewandten Kunst beeinflusste. Außer der freien Kunst widmete er sich auch der Buchillustration, der grafischen Gestaltung von Plakaten, Zeitschriften und Bucheditionen, der politischen Karikatur und den Entwürfen für monumentale Umsetzungen in der Architektur. In das kulturelle Leben in Bratislava band er sich durch seine organisatorischen Tätigkeiten ein. Ende der fünfziger Jahre konzentrierte sich seine Malerei auf die Erforschung der Ausdrucksmöglichkeiten der figurativen Malerei, von kubistischen Experimenten bis hin zu analytischer Zerlegung und Farbdekonstruktion. Wir ordnen seine Werke aus den sechziger Jahren in zeitgenössische nicht-figurative und auf den ersten Blick widersprüchliche Strömungen ein – strukturelle Abstraktion und konstruktive Tendenzen. Sein künstlerischer Schwung und vielversprechende Karriere wurde in den siebziger Jahren durch die Normalisierung vorzeitig gestoppt. Sein Werk und Leben beendete der Künstler im Jahre 1983 selbst. Seine Werke aus den Sammlungen slowakischer Galerien werden jedoch regelmäßig auf wichtigen Ausstellungen slowakischer Kunst der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts oder sogenannter alternativer Grafik[4] präsentiert.

[1] Anastázia Miertušová studierte an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Slowakischen Universität/Prírodovedecká fakulta Slovenskej univerzity in Bratislava (1946 – 1949) und an der Akademie der bildenden Künste/ Vysoká škola výtvarných umení in Bratislava (1949 – 1953).

[2] Zum Werk von Marián Čunderlík, Anastázia Miertušová und ihrer Tochter, bildender Künstlerin Marianna Arvay-Čunderlíková (1971) siehe: MOJŽIŠ, Juraj. V znamení kruhu. Krása, Galéria mesta Bratislavy, 2013, S. 20.

[3] Siehe die Ausstellungsliste am Ende der Publikation.

[4] Die alternative Grafik umfasst nicht-traditionelle, experimentelle und originelle Formen der Grafik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In der Zeit der Normalisierung war es schwierig, sie offiziell auszustellen. Mehr über den Begriff und Genealogie siehe: VRBANOVÁ, Alena. Alternatívna slovenská grafika. Bratislava: Roman Fecik Gallery, 2019; JANČÁR, Ivan. Nové skupiny, stretnutia, vízie a formovanie nových programov. In BÖHMEROVÁ, Zuzana – JANČÁR, Ivan. Slovenská grafika 20. storočia. [Kat. Ausstellungen] Bratislava: Galéria mesta Bratislavy a Roman Fečík, 2007, S. 241.

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